Das andere Russland - Dmitrij Skurikhin

Ernst Trummer, 15.10.2022  

severreal.org

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Dmitrij Skurikhin hat es schon wieder getan. Und wieder sind die Ordnungshüter gekommen und haben ihre Arbeit gemacht: das Transparent von der Fassade von Skurikhins Dorfladen entfernt, sämtliche Räume im Haus auf der Suche nach belastenden Materialien auf den Kopf gestellt, Skurikhins Familie – drei minderjährige Kinder, eine ältere Tochter, die Gattin – eingeschüchtert. Aber weder der Bösewicht selbst, noch seine Familie und Freunde zeigten sich von der Staatsgewalt beeindruckt, auch wenn die ganze Prozedur diesmal rund elf Stunden dauerte. Das Delikt, das ihm nun angelastet wurde: wiederholte Diskreditierung der Streitkräfte Russlands.

Skurikhin ist kein unbeschriebenes Blatt, weder bei den Behörden noch bei den übrigen Bewohnern des 5000-Seelen-Ortes Russko-Vysotskoje im Umland von Sankt Petersburg. Mit seiner Meinung hielt er nie hinter dem Berg. Den 48-Jährigen kennen sie in der Gegend schon deshalb, weil er einen Minivan fährt, den die Botschaft „Putin bedeutet Krieg. Sag nein zum Krieg“ ziert. Seinen Aktionismus unterstützen nicht alle im Ort. Als er sich klar gegen die erzwungene Annexion der Krim im Jahr 2014 ausspricht, wenden sich viele von ihm ab.

Telegram

Wie die Plattform Setevye Svobody („Netzfreiheiten“) auf dem Messenger-Kanal Telegram berichtet, kam Skurikhin zuletzt noch einmal glimpflich davon – ihm ist bis auf weiteres untersagt, mit Zeugen des Vorfalls zu verkehren, sowie Telekommunikationsmittel oder Postdienste zu verwenden. Die etwas exotisch anmutende Strafe nennt sich „Verbot bestimmter Handlungen“ und wurde verhängt wegen eines „Anti-Kriegspostings auf Telegram und Fotos von Anti-Kriegs-Aufschriften auf seinem Geschäft“.

Skurikhin hat in der Vergangenheit nicht nur gegen die Staatsmacht protestiert, sondern sich in verschiedenen Aktionen auch für andere Repressionsopfer eingesetzt. Eine von ihnen ist die Petersburger Künstlerin Sasha Skotschilenko, deren Geschichte wir hier erzählen.

Dmitrij Skurikhin wäre auch ohne den Krieg in der Ukraine ein Unbequemer. Auf Youtube gibt es ein kurzes Video, in dem er von seinen Motiven für den Kampf gegen die Obrigkeit erzählt. Gegen Ende heißt es darin, dass er während seiner letzten Gefängnishaft nach einer Unterstützungsaktion für Alexei Nawalny beschlossen habe, sich nicht mehr zu rasieren, „bis wir Putin mit den Füßen voraus aus dem Amt tragen.“ (Ein weit verbreiteter Topos im politischen Diskurs in Russland, „mit den Füßen voraus“ heißt soviel wie „auf der Bahre“. Es gibt so viele Sesselkleber, die erst mit ihrem Tod aus ihren Ämtern scheiden).

Skurikhins Gesichtsbehaarung wächst mittlerweile seit über einem Jahr. Sein damaliger Zellengenosse hatte ihm einen Bart bis zur Hüfte prognostiziert. Aber unser Gefühl sagt uns, dass er bis zur nächsten Genussrasur gar nicht mehr so lange wird warten müssen. Wir halten fest: heute ist der 15. Oktober 2022, und die Losung lautet: „Der Bart muss ab!“

Quellen:

https://www.severreal.org/a/obysk-lomayut-dveri-ugolovnoe-delo-za-plakat-o-mogilizatsii-/32049371.html

https://t.me/NetFreedomsProject/653

https://www.youtube.com/watch?v=SSG7eJ1ZRIo

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